Hallo zusammen,
ich trau' mich ja kaum, unter all den eingefleischten Norwegenfans mit so einer Frage zu kommen, aber: Zieht es noch jemand anders nach Deutschland?
Bin nie wirklich "ausgewandert", hatte halt einen Drei-Jahres-Vertrag in der Tasche, Lust auf was Neues und dachte, schau dann mal weiter.. jetzt sind es ueber vier Jahre, und ich verspuere immer mehr den Wunsch, wieder nach Deutschland zu ziehen. Ich wuerde nicht in die Stadt zurueckziehen, in der ich in den letzten Jahren vor Norwegen gewohnt habe, empfinde es nicht als "Rueckschritt" oder "Zurueckziehen", im Prinzip koennte ich mir sogar vorstellen, nochmal in ein anderes Land zu gehen (S, NL), aber gerade lockt mich Deutschland. Ich wuerde so gesehen nochmal neu anfangen, alleine, habe aber auch noch viele Kontakte.
Es ist kein "Heimweh". Ich bin viel herumgekommen, viel gereist, auch ausserhalb Europas, passe mich irre schnell an (im Sinne von: ich fuehle mich nicht lange fremd, gehe sehr offen auf Menschen zu). Spreche fliessend Norwegisch.
Natuerlich gibt es offensichtliche Pros und Contras, natuerlich tue ich mich mit dem norwegischen Gesundheitssystem eher schwer als mit dem deutschen und dafuer mit der deutschen Arbeitsmoral schwerer als mit der norwegischen. Gar keine Frage, das Leben in Norwegen ist entspannter. Gar keine Frage, die norwegische Natur ist durch nichts zu toppen. Die norwegische Essenskultur (inkl. dem Angebot in den Supermaerkten), das ist nicht meins. Aber auch damit kann ich leben.
Natuerlich mag ich Norwegen sehr. Deutschland aber auch. Vielleicht bekaeme ich in Deutschland einen richtig schoenen Kulturschock - alles moeglich.
Ich fuehle mich hier auf eine gewisse Art und Weise "zu Hause", aber "nicht angekommen". Es ist mir viel besser als erwartet gelungen, Kontakt zu Freunden in Deutschland zu halten. Sie besuchen mich, wir telefonieren, skypen, und all das, obwohl sie uebers ganze Land verstreut sind. Und nein, es sind nicht nur Freunde aus Schulzeit/Studium, sondern durchaus auch Leute, die ich schon im *hust* Erwachsenenalter kennengelernt habe.
Was macht Glueck und Zufriedenheit aus? Fuer mich auf jeden Fall auch tiefe Freundschaften. Freundschaften, in denen man wirklich miteinander redet, etwas von sich preisgibt, nicht nur erzaehlt, was man so macht. Ueber Probleme spricht und ueber Dinge, die einen bewegen. Und solche Freundschaften baue ich zu Norwegern nicht auf - ich dachte bisher immer, das liegt halt daran, dass ich Deutsche bin. Und mit anderen Auslaendern - hab' ich das auch nicht, leider meine Schuld. Ich habe wohl den Fehler gemacht, mich von Anfang an sehr auf die Norweger zu fokussieren und den Kontakt zu anderen Expats nicht wirklich zu pflegen. Einige deutsche Freunde sind auch nach und nach zurueck nach Deutschland gezogen (aus den gleichen Gruenden, die auch mich beschaeftigen).
Als ich letzte Woche auf einer Party eine Deutsche kennenlernte, die seit 10 Jahren hier ist, hatte ich mein Aha-Erlebnis. Ich sagte, ihr muesse es ja super gefallen, wenn sie schon 10 Jahre hier sei. Ja, sagte sie, es sei schon schoen, aber sie koenne nach so langer Zeit auch gar nicht mehr zurueck, da sei ja nichts mehr. Hm, klingt nicht so ganz gluecklich, sagte ich. Nunja, sagte sie resigniert, sie habe halt in Norwegen keine so engen Freundschaften aufbauen koennen wie in Deutschland. Ich war ueberrascht, fuehlte mich aber auch verstanden, und dann schob sie nach: "Ich glaube, zwischen den meisten Norwegern gibt es das aber auch gar nicht." Und da war ich baff. Schaute einmal in die Runde - von den ca. 30 Norwegern kenne ich gut zwei Drittel schon seit Jahren, verbringe viel Zeit mit ihnen - und ehrlich gesagt konnte ich mir tatsaechlich nicht vorstellen, dass die untereinander solche Gespraeche fuehren wie ich mit "alten Freunden", wenn ich mal auf Deutschlandbesuch bin. (Ich muss allerdings dazusagen, dass meine Freunde in Deutschland viel weniger outdoorfixiert sind. Die machen auch Sport, aber nicht ganz so ausschliesslich wie die in den Kreisen, in denen ich hier so herumhaenge.)
Als ich eine norwegische Freundin darauf ansprach, sagte sie, ihr ging es aehnlich, als sie vier Jahre lang in DK lebte, sie vermisste die tiefen Freundschaften, die sie zu Hause in Norwegen hatte - ihre beste Freundin ist aber Auslaenderin.
Heute habe ich eine Einladung zum Vorstellungsgespraech bekommen... hab' mich gefreut wie ein Schneekoenig und mich dann dabei ertappt, wie ich dachte: Hoffentlich nehmen die mich nicht,... whoops.
Mich wuerde interessieren, ob es vielleicht jemandem von Euch aehnlich geht. Es geht mir nicht um Lobeshymnen auf Norwegen, wie schon geschrieben: Ich mag Norwegen sehr, daran liegt es nicht.
whatever_happens
P.S. @Mods: Bitte in den Plaudereien belassen.. danke.