Kumulus hat geschrieben:Meine Sehnsucht nach Norwegen wächst.
Ja, auch unsere Sehnsucht ist groß! Danke euch beiden und weiter:
7 August 2020 Heute soll es bis bis Slettnes Fyr auf der Nordkynn – Halbinsel gehen, darauf freu ich mich total. Doch es kommt anders und aus der
besonderen wird die
ganz besondere Reise!
Wieder ein trüber, grauer Morgen. Es ist unglaublich, wie Licht, Sonne oder Wolken eine Landschaft verändern!
Es geht weiter auf dem RV 98. Keine großen Baustellen und gut zu befahren. Im Børselvdalen oberhalb des Silfar Canyon legen wir den ersten Stop ein. Hier gibt es das älteste Kiefernvorkommen der Welt.
Nächster Stop Adamsfossen. Ein Wasserfall am Laksefjord, 38 Meter hoch. Nach dem Bau des Adamselv-Kraftwerks in den 1970er Jahren wurden der Wasserfluss im Fluss und im Wasserfall stark reduziert.
Weiter geht es, die Straße wird schmaler, kurvenreicher, unübersichtlicher – und wir hören auf einmal ein Geräusch am Auto, das uns gar nicht gefällt, ein Kreischen und Quietschen, nein, das hört sich gar nicht gut an.
Wir halten an, Johannes schaut nach, ob er irgendetwas finden kann, nein, er findet keine Ursache. Wir fahren weiter, das Geräusch bleibt, mal lauter, mal leiser. Die Fahrleistung ist nicht beeinträchtigt, doch uns ist klar, dass wir eine Werkstatt aufsuchen müssen.
Ifjord ist der nächste Ort, dort gibt es keine Werkstatt, Mehamn ist 110 km entfernt, Tana 100 km und Lakselv 120. Wenden ist im Moment schwierig, wir wollen erst mal wie geplant in Ifjord entsorgen und dort überlegen.
Da passiert etwas, was wir noch nie in Skandinavien erlebt haben – wir geraten in eine Verkehrskontrolle!!!
Hammer!!! Die Statens Vegvesen Mitarbeiter prüfen aber nur Fahrzeugpapiere und Führerschein des Fahrers, sonst nichts. Wir nutzen die Gelegenheit und sagen, dass mit dem Auto was nicht stimmt, wir eine Werkstatt brauchen. Die Herren meinen, da sollten wir lieber nicht wie geplant Richtung Mehamn fahren, sondern nach Tana.
Ok. Erstmal das Stück bis Ifjord zum Entsorgen. Aber Ifjord Camping bestätigt seinen schlechten Eindruck bei uns zum wiederholten Mal. „Sorry, it`s broken“ und das bei der einzigen Entsorgung weit und breit! Tanken können wir wenigstens und nehmen schweren Herzens nicht den RV 888, sondern bleiben auf der 98 Richtung Ifjordfjell.
An einem vernünftigen Rastplatz halten wir an und überlegen in Ruhe wie es weiter gehen soll.
Wir besprechen alle möglichen Optionen und entscheiden uns dafür, nach Lakselv zurückzufahren. Ok. Das Geräusch bleibt, mal stärker, mal schwächer, aber der Wagen rollt.
Am Kunes Camping fragen wir, ob wir entsorgen und Wasser auffüllen dürfen. Dürfen wir und müssen noch nicht mal bezahlen, super!
So ungefähr 40 km vor Lakselv bekommt Johannes dann Schwierigkeiten beim Schalten und jetzt lässt auch die Fahrleistung rapide nach – und das, wo es hier hügelig auf und ab geht – wir schwitzen Blut und Wasser.
Wir wissen, hinter der nächsten Kuppe ist der Schotterplatz, an dem wir übernachtet haben… wir wollen bitte nicht auf der Straße stehen bleiben, sondern den erreichen… das Auto wird immer langsamer… die letzten Meter bis zur Kuppe schaffen wir so gerade eben – dann geht nichts mehr, doch Johannes kann das Gespann ausrollen lassen und auf den Schotterplatz lenken. Hallelujah!!!!
Da sind wir erst mal fix und fertig, aber auch heilfroh, dass nichts Schlimmes passiert ist und wir an einem sicheren Ort stehen.
Für sowas hat wohl jeder bei einem Automobilclub einen Vertrag und hofft, ihn nie in Anspruch nehmen zu müssen. Wir natürlich auch und nehmen Kontakt auf mit dem AvD, bei dem wir versichert sind. Man nimmt alle Daten auf, fragt ob wir sicher stehen und dort auch ggf. übernachten können, wird für uns einen Abschleppdienst organisieren.
Worüber ich bass erstaunt bin: Auf die Frage nach der Adresse sage ich „in Nordnorwegen, auf einem Schotterplatz ca. 30 km vor Lakselv an der Strasse 98, am besten gebe ich Ihnen die Koordinaten durch“ muss mein Ansprechpartner mich an einen Kollegen weiterreichen, weil er damit nicht klar kommt… Naja, nach einiger Zeit kommt ein Rückruf mit der Info, dass wir morgen im Laufe des Tages abgeschleppt werden.
Es gibt schlimmere Plätze, an denen man stranden kann. Doch den schönen Sonnenuntergang können wir heute nicht wirklich genießen und haben auch eine recht schlaflose Nacht.
8. und 9. August 2020 Es ist Samstag, wunderbares Wetter, wir haben eine fantastische Aussicht und warten und warten und warten...
Gegen 14.00 kommt er dann, der Abschleppwagen, gesteuert von einem sehr freundlichen und überaus kompetenten Herrn. Das Auto wird auf den Aufleger gezogen, der Wohnwagen angehängt, alles klappt reibungslos und unkompliziert, auch die Verständigung.
Das schwierigste ist dann tatsächlich, Bo ins Führerhaus des LKW zu bekommen, er steigt nicht freiwillig ein, wir müssen ihn reinheben… die ganze Fahrt bedeutet für ihn puren Stress.
Aber unser Chauffeur fährt besonnen und vorsichtig. Er ist hier zu Hause, liebt seine Heimat ganz offensichtlich und er erzählt uns einiges über die Gegend. So vergeht die Fahrt für uns recht schnell und angenehm. In Lakselv gibt es zum Glück Fjordutsikten Camping, er setzt uns dort ab und stellt dann das Auto vor der Werkstatt ab. Da heute Samstag ist, ist die ja geschlossen. Nach dem Austausch von Telefonnummern verabschieden wir uns sehr herzlich.
Wir suchen uns einen Platz, bauen auf und trinken erst mal einen Schnaps, besprechen was die schlimmste Situation sein könnte und was wir dann machen. Als das geklärt ist, sind wir soweit, in Ruhe grillen zu können und den Abend ausklingen zu lassen.
Der Campingplatz liegt direkt am und mit Blick auf den Porsangenfjord, die Rentiere sind unsere verläßlichen Begleiter und es gibt hier auch einen Flugplatz! Nein, es gibt wirklich schlimmere Plätze um zu stranden.
Wir schlafen ganz gut und sehr lange. In der Nacht hat Regen eingesetzt und es regnet den ganzen nächsten Tag heftig weiter. Also ein ganz ruhiger Sonntag mit lesen, Fotos speichern, ruhen und Hunderunden – ach ja: und studieren unseres Vertrages inclusive des Kleingedruckten. Wir gehen auch mal bei der Werkstatt vorbei, sie ist ca. 2 km entfernt. Mal sehen was der morgige Montag uns bringt.
Montag, 10. bis Mittwoch, 12. August 2020 Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zur Autowerkstatt, stellen uns vor und erklären, was passiert ist. Man will sich das Auto bald vornehmen, wir sollen nach der Mittagspause mal anrufen.
Wir sagen, dass wir lieber vorbeikommen möchten, da wir bei den unterschiedlichen Sprachen und zu erwartenden Fachbegriffen lieber persönlich sprechen und ggf. die Übersetzungsapp nutzen möchten. Daraufhin springt der junge Mann auf, „Please, wait a Moment“, verschwindet nach hinten, kommt nach kurzer Zeit mit einem Kollegen wieder. Und der spricht deutsch! Glück muss der Mensch haben.
Am Nachmittag dann das Ergebnis: das Getriebe ist kaputt, es muss ausgetauscht werden.
Der Monteur hat auch schon recherchiert und macht uns folgende Angebote:
1. Ein neues Getriebe aus D kommen lassen, dauert 4 Wochen und kostet 80.000 NOK.
2. Ein geprüftes gebrauchtes aus Oslo kommen lassen dauert 2 Wochen und kostet 55.000 NOK.
3. Ein ungeprüftes aus Oslo kommen lassen dauert 2 Wochen und kostet 30.000 NOK.
Dann muss noch eingebaut werden. Da sind wir erst mal geplättet.
Stop! Der AvD bietet doch einen Expresslieferdienst für Ersatzteile. Wir besprechen mit dem Monteur, dass wir das versuchen wollen und hängen uns ans Telefon.
Die folgenden beiden Tage vergehen mit Anfragen – Telefonaten - Mailverkehr - Warten. Es hakt auch durchaus an der ein und anderen Stelle, ist insgesamt sehr nervenaufreibend. Da gibt es noch nicht mal einen Spaziergang, aus Angst nicht erreichbar zu sein oder irgendwelche Daten zu benötigen, die man ja unterwegs nicht parat hat.
Am späten Mittwochnachmittag endlich ist alles klar, das Getriebe geht morgen auf Reisen und falls es am Zoll keine großen Probleme gibt, wird es Dienstag hier eintreffen. Der Monteur hält sich diesen Tag frei für den Einbau. Puh!!!!
Fjordutsikten Camping liegt 1,5 km außerhalb von Lakselv an der 98, die Werkstatt ebenfalls ca. 1,5 km außerhalb, aber an der E6 und ca. 2 km vom Campingplatz entfernt. In diesem Dreieck sind wir jetzt erst mal unterwegs; zu Fuß. Uns stünde ein Leihwagen zu, aber wenn wir den in Anspruch nehmen erlischt der Anspruch auf Rückführung des defekten Fahrzeuges. Da eine erfolgreiche Reparatur ja noch nicht gesichert ist, verzichten wir erst mal.
Das Interesse zu fotografieren ist im Moment nicht sehr groß. Es gibt nur wenige Bilder. Zwischendurch mal kurz raus, für ein paar Motive vor Ort.
Und im Vorbeigehen von der Kirche.
Unsere Aussicht für die nächste Zeit, einmal am Morgen
und so am Abend.
13. August 2020Unsere Lebensmittelvorräte gehen zur Neige. Da wir alles über die 2 km hertragen müssen, planen wir genau, was wir kochen wollen und wirklich benötigen. Trotzdem schleppen wir uns ganz schön ab mit den Einkäufen, sowas ist man gar nicht mehr gewöhnt!
Daraufhin frage ich unsere nette Vermieterin, ob man hier irgendwo ein Fahrrad leihen kann. Als Antwort nimmt sie einen Zettel, schreibt den Zahlencode des Fahrradschlosses darauf und meint, ich könne wann immer ich will ihres nehmen. Sie hat es dieses Jahr erst 2-mal benutzt und es steht eh nur rum. Boahh, toll!
Ein Sport Rad, auf dem ich sitze wie ein Affe auf dem Schleifstein, denn sie ist kleiner als ich, aber das ist sowas von egal. Ich mache direkt eine Probefahrt und nach dem großen Schreck, fast in ein Auto reingerauscht zu sein, weil ich mit dem nicht vorhandenen Rücktritt bremsen will, gewöhne ich mich schnell um und nutze es oft.
Gegen Mittag rufe ich den Getriebeversand an: ja, das Teil wurde vor 5 Minuten abgeholt! Super! Das Wetter ist fantastisch, deswegen wird wieder lecker gegrillt. Nach einer kurzen Siesta gibt es für Bo und mich noch eine große Runde. Johannes spült und erledigt andere notwendige Dinge. Am Abend gewinnt er zwei Mal hintereinander Phase 10. Es kehren Ruhe und eine gewisse Normalität ein.
Der Campingplatz liegt im Mündungsbereich des Brennelva oder Polajoki Flusses in den Porsangerfjord. Es ist ein sehr breites Mündungsdelta, an dem ich denn entlangspaziere.
Der Blick rüber zum Campingplatz
Was ich aus der Entfernung für Sami- Zeltgerüste gehalten habe entpuppt sich als Austragungsort des jährlich stattfindenden Mittnattrock – Festivals.
Sehr schön. Zurück zum Camping.
14 August 2020 Heute Morgen 8.30 ein Anruf: leider verzögert sich die Zustellung des Ersatzteils. Sie ist jetzt für Freitag den 21.08 angedacht. Soviel zur "Expresslieferung innerhalb von 2-3 Werktagen in entlegene Gegenden"
Hoffentlich ist der Monteur flexibel bezüglich des Termins zum Einbau, Dienstag geht ja schon mal nicht. Doch er reagiert gelassen: ja, das sei normal. Und er hat am Dienstag trotzdem Arbeit. Unsere Lieferung will er per Track beobachten um zeitnah nach Ankunft einbauen zu können. Das beruhigt uns sehr.
Die ruhige, kompetente und souveräne Art der Mitarbeiter der Werkstatt tut überhaupt unglaublich gut. Da muss ich ein großes Lob und großen Dank aussprechen.
Gegenüber der Werkstatt beginnt ein Wanderweg, den nehmen wir uns nun vor und landen nach der ersten angenehm zu laufenden Strecke im Sumpf. Nach einigem rutschigen Auf und Ab und keiner Sicht auf bessere Wegstrecke beschließen wir, die Wanderung abzubrechen, zumal wir ja die Wanderstöcke auch nicht dabei haben. Jetzt erweist sich wieder mal, dass die Anschaffung des GPS- Gerätes goldrichtig war, wir finden eine andere, besser zu gehende Strecke (vorbei an einem Kartoffelacker, den man hier ja nun gar nicht vermuten würde!) zurück zum Campingplatz, total genial!
Am Nachmittag wollen wir nochmal grillen. Als der Lachs gerade auf dem Grill liegt fängt es an zu regnen. Und es soll die nächsten Tage weiterregnen. Dann igeln wir uns mal ein.
Fortsetzung folgt garantiert - bis dahin liebe Grüße, gudrun55