Hallo ihr Schiffsliebhaber,
Bernd hat geschrieben: Meinungen gibt es immer viele, Recherchieren bringt immer wieder neue Infos, auch die können in ganz verschiedene Richtungen gehen, dazu kommen auch noch ganz persönliche Erfahrungen......
Du hast schon irgendwo Recht und ich danke dir insbesondere sehr für deine besonnenen und vermittelnden Worte in diesem Thread!!
Auch ich habe versucht mir eine Meinung zu bilden, weil ich das Fahrwasser in der Gegend von hunderten eigenen Bootsausflügen oder Hurtigrutenfahrten und sonstigen Fahrten in diesem Fahrwasser sehr gut kenne und mir überhaupt nicht verstellen konnte, wo dort in der Hauptfahrrinne zwischen Askrova und Svanøya ein Schiff auf eine Schäre auflaufen konnte.
Für alle Schiffsfreaks, es geht nachfolgend insbesondere um das Hissen der „schwarzen Bälle“, was aus meiner Sicht, die Ursache des Auflaufens der "Grömitz" zu erklären scheint.
Hier einige Fakten:
1.
Das Auflaufen der "Grömitz" auf die Schäre geschah unter ca. 40°, völlig am Rande der Hauptfahrrinne zwischen Askrova und Svanøya.
Die Schäre (Leieskjeret) befindet sich backboard (die "Grömitz" war auf Südkurs in die Heimat) völlig am Rande der Hauptfahrrinne.
Und die Hauptfahrrinnen an der norwegischen Küste sind nun wirklich sehr gut „befeuert“ und „betonnt“ und aus meiner Sicht auch narrensicher, wenn man nur ein wenig den Kopf und ggf. die Technik einschaltet.
Hier eine Karte mit Auflaufposition auf die Schäre:
http://www.firdaposten.no/lokalnytt/article2598688.ece
2.
Auf der Schäre befand sich eine ca. 5 m hohe pyramidenförmig gemauerte Steinvarde, platziert mit einem Fundamentmaß von ca. 2,5 m x 2,5 m.
Diese „Varden–Stein-Masse“ wäre auf alle Fälle frühzeitig vom Radar erfasst worden, womit ein Navigationsfehler mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden können – es sei denn, die „Brücken-Jungs“ wären nicht auf der Brücke gewesen, sondern beim Skatspielen in der Messe.
Nein, das unterstelle ich keiner Schiffsmannschaft der Welt.
3.
Das Auflaufen auf die Schäre geschah um ca. 02.00 Uhr Mittwoch in der Nacht.
Von der lokalen Zeitung „Firdaposten“ wurde eine Bilderserie (20 Bilder) veröffentlicht, die mich bei der Betrachtung von Details sehr stutzig machen:
http://www.firdaposten.no/lokalnytt/art ... e?start=16
Bild 1 zeigt das Schiff auf der Schäre; die Steinvarde ist bereits vom Zusammenstoß mit dem verstärkten Bug des Schiffes im Meer versenkt. (s. Bild 15, fast vollflächige relativ leichte Beschädigungen am verstärkten Bug des Schiffes und Rest-Steinmauerwerk der Varde in der Nähe des Schiffkiels).
U.a. die Hebelwirkung des relativ hohen vorgelagerten Bug des Schiffes und die solide verstärkte Bauweise des Bugs erklären die relativ geringen sichtbaren Schäden am Bug beim Aufprall/Auflaufen auf die 5 m hohe tonnenschwere Vardenmasse.
Zudem zeigt dieses Bild (und weitere) ein wichtiges Detail (fotografiert frühzeitig von Leuten vor Ort nach erstem Freischleppversuch, der jedoch fehlschlug – ca. vor 09.00 Uhr):
Es sind 2 (!) schwarze Bälle gehisst!
Diese 2 Bälle werden üblicherweise gehisst, wenn das Schiff manövrierunfähig ist.
Zu diesem Zeitpunkt des Auflaufens hätten aber 3 schwarze Bälle gehisst werden müssen als Hinweis „Schiff aufgelaufen“.
Die komplette, frühzeitig aufgenommene Bilderserie zeigt aber immer nur „2 (!) gehisste schwarze Bälle“!
4.
Eine Bilderserie, die von BTNO veröffentlicht wurde, zeigt aber nun „3 (!) gehisste schwarze Bälle“, während der Schlepper „Tromsø“ im 3. Fehl-Versuch (Riss von Schlepptau) aktiv ist – nach 09.00 Uhr. Die 2 Bilder - ohne Schlepper - mit „2 gehissten schwarzen Bällen“ wurden vermutlich vor 09.00 Uhr aufgenommen.
Somit mein/e Fazit/Erklärung:
- die Jungs der Marine können absolut navigieren und handelten auch verantwortungsbewußt; sie fuhren korrekt in der Hauptfahrrinne und nicht etwa durch das extrem gefahrvolle westliche „Schärengebiet“ mit hunderten von Untiefen um die Insel Askrova. Hier fahren i.d.R. nur sehr ortskundige auf "Sicht"!!
- die „2 schwarze Bälle“ wurden völlig korrekt - wg. „Manövrierunfähigkeit“ - der "Grömitz", bereits auf der Fahrt von Florø bis Askrova gehisst – vermutlich auf der letzten Hälfte der Strecke ca. 4-6 sm vor Askrova.
- der Nordostwind und die entspr. übliche Strömung/Tide haben dann die "Grömitz" an der Nordostspitze von Askrova vorbei auf die Schäre mit Varde zugetrieben und auflaufen lassen. Zu diesem Zeitpunkt waren noch „2 schwarze Bälle“ (wg. „Manövrierunfähigkeit“) gehisst. (s. Bilder auf der Schäre)
- während des Freischleppversuchs der "Grömitz"durch den Schlepper „Tromsø“ wurden dann die „3 schwarzen Bälle“ völlig korrekt nach Vorschrift – wenn auch ein paar Stunden verspätet; klar, die Jungs hatten Stress – auf der "Grömitz" gehisst (s. Bilder).
Somit lag wohl eher eine „Manövrierunfähigkeit“ des Schiffes, lange vor dem Auflaufen auf die Schäre mit Varde-Masse vor und nicht, wie die „Norweger“ mit zwischenzeilig lustigen Untertiteln bei der Bildserie u.a. schreiben, dass ein „Navigationsfehler“ vorlag.
Zum Glück ist keiner von der Mannschaft zu Schaden gekommen und die verstärkte Stahlkonstruktion der "Grömitz" u.a. am Bug scheint erstklassig zu sein; z.B. jeder Ölprodukteitrag in die See wäre in diesem Seebereich wirklich als ökologisch sehr katastrophal zu beurteilen, insbesondere auch wg. des recht guten Bestands an Schalentieren auf allen Meerestiefen etc.
Auch in diesem Gebiet wurde Öl aus dem Frachterunglück vor Fedje angeschwemmt, was die Fischer/Züchter vor Ort sehr besorgt.
Dann „strandet“ die Nordstjernen (Hurtigruten) wg. „Manövrierunfähigkeit“ ebenfalls in diesem Seegebiet. Und dann noch die "Grömitz".
Schließlich komme ich zu dem Schluss, dass das Schiffspersonal völlig korrekt arbeitet, aber die Wartungs- und Instandhaltungskosten immer öfter von den Reedereien/Institutionen eingespart werden müssen und dies vermutlich auch ursächlich für das Auflaufen der "Grömitz" zu sein scheint.
Ein, wie ich finde, sehr bedenklicher, gefährlicher und letztendlich auch ein sehr kostenträchtiger Trend, insbesondere auch bei Passagierschiffen bei steigendem Kostendruck im Billigsegment etc. Von der Forderung zu doppelwandigen Schiffen ganz zu schweigen.
Ich persönlich habe einen sehr hohen Respekt vor den scheinbar zunehmenden Meeresnaturgewalten – zuviel ist hier noch unerforscht - und verfolge auch relativ aufmerksam die Wartung der Personen-Schiffe, die wir regelmäßig benutzen in den Werften und schaue mir auch danach zugängliche techn. Details der Schiffe beispielhaft sehr genau vor Ort an; z.B. die Passagierpreise sind dann eher tertiär, die relative Sicherheit der Schiffe für meine Familie auf den Schiffen ist mir primär wichtig, alles andere beurteile ich völlig untergeordnet.
Z.B stellt Hurtigruten – in einer wirklich wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit für das Unternehmen - zurzeit techn. Inspektoren ein; DAS finde ich löblich – und Dank an den neuen Hurtigruten-Chef, der extrem effizient umherwirbelt im Konzern und eine schier unlösbare Aufgabe vor der Brust hat - und auch sehr zukunftsweisend in jeglicher Richtung; leider ist „Sicherheit“ scheinbar kein Vermarktungsargument und nur bunte Katalog-Bildchen und „supersonder“-„Special-Preise“ zählen bei „Marketing und Vertrieb“.
Können Menschenleben wirklich mit „Billig-Billig-Preis-Propaganda“, Ausflaggen irgendwohin, „Effizienz von Wartungs- und Instandhaltungskosten, Einsparung von Service-Personalkosten bei Ausflaggung etc. aufgerechnet werden?
Ich reise vorzugsweise mit renommierten norwegischen Reedereien, weil diese die obigen Ziele NICHT verfolgen und ich freue mich insbesondere für jeden Norweger, der auf diesen Schiffen ausgebildet wird und einen sozialverträglichen Arbeitsplatz findet!!
Ich entschuldige mich, es ist wohl etwas abseits vom Thema, aber was ist wichtiger als eine kontrollierte, relative Sicherheit bei der Nutzung von Technik für die reisenden Familien, hier z.B. von Schiffstechnik – das sollte doch allen ein Anliegen sein; diese „techn. Estonia-Reports“ stecken mir immer noch in „den Knochen“, ganz unabhängig was die „Unfallursache“ wirklich war.
Das zu meinen Gedanken zur allgemeinen Schiffssicherheit und zum Auflaufen der "Grömitz".
Viele Grüße und immer min. einen cm Wasser unter dem Kiel – besser um Potenzen mehr beim Schippern über die unzähligen Untiefen in der norwegischen Küsten-See.
Jürgen